In ihrer ersten Galerie-Solopräsentation seit acht Jahren zeigt Maja Vukoje neue Werke, die thematisch an einige der aus ihrer Einzelausstellung im Wiener Belvedere 21 (Dezember 2020–August 2021) bekannten Werkgruppen anknüpfen, diese variieren und weiterentwickeln.
Gemeinsam ist den Arbeiten das Material der ungrundierten, industriell gefertigten Jute, die sie als Träger ihrer motivisch und formal reduzierten Kompositionen verwendet. Auf der Ebene der Maltechnik ermöglicht die Grobheit des Gewebes der Malerin einerseits, die Farbe von hinten durch die aufgespannte Jute hindurch zu drücken, was zu der unverwechselbaren Plastizität der Bilder beiträgt. Andererseits lassen die unbearbeiteten Flächen den Präsentationsapparat in Form des Keilrahmens und der dahinterliegenden Wand durchscheinen. So wird auch der reale Raum hinter der Bildfläche Teil des Bildraums. Nicht zuletzt verweist der Bildträger Jutesack auch auf den Warencharakter des Bildes selbst, sowie auf die Ausbeutungsbeziehungen im globalen Handel, wie Isabelle Graw im Gespräch mit der Künstlerin treffend bemerkt.1
Auch bei den Motiven handelt es sich für Vukoje um eine inhaltlich aufgeladene „Ware der besonderen Art“2: Mit Gemälden wie another Avocado (2023) oder Babymelanzani (2023) entwickelt die Künstlerin eine Serie weiter, in der sie exotische Früchte auf eine Weise abbildet, die in gleichem Maße Assoziationen mit Pop Art, klassischer Porträtmalerei und Stillleben auslöst. Die Kulturgeschichte dieser im globalen Handel über lange Transportwege dem Konsum des reichen Nordens zugeführten Produkte reicht weit in die Kolonialzeit hinein und verbindet sich etwa in den niederländischen Stillleben des 17. Jahrhunderts mit der Geschichte der Malerei.
In ähnlicher Weise verweist die in McPop (2023) abgebildete Mohnblume auf ihre traurige Rolle in kolonialer Vergangenheit und postkolonialer Gegenwart. Ihr Abbild ist mittels einer subtraktiven Technik durch Bleichen von industriell eingefärbter Jute hergestellt. Aus unterschiedlichen Intensitäten des Einsatzes des chemischen Bleichmittels ergeben sich Tonalitäten des unter der schwarzen Einfärbung liegenden Grüns. Durch die Verzögerung in der Wirkung kommt der Zufall als Element der Gestaltung hinein und macht Bildträger und Prozess im Sinne einer „performativen Materialität“ (Luisa Ziaja) zusätzlich sichtbar.3
Den Namen „Albers“ in ihren Titeln tragend, stellen die Werke einer weiteren Serie, auf den ersten Blick ersichtlich, eine Hommage an eine Hommage dar. Josef Albers’ Homage to the Square (ab 1950) zählt zu den einflussreichsten Werkserien der abstrakten Malerei des 20. Jahrhunderts. Maja Vukojes Version erweitert die berühmte Studie des Zusammenwirkens von Farbflächen durch die Wahl der Materialien mit einem Schlag um mehrere Dimensionen. So erzeugt sie die ineinandergefügten Flächen durch das Auftragen von verschiedenen Arten von Zucker, Kakao, Kaffee oder anderen Waren, die in ebensolchen Jutesäcken global gehandelt werden wie jenem, der jeweils als Bildträger fungiert. Auf diese Weise „schleudert“ sie, wie Luisa Ziaja es formuliert, Albers’ Hommage entgegen dem Autonomieanspruch des abstrakten Bildes der europäisch-nordamerikanischen Nachkriegsmalerei „mitten hinein in multiple geografische, materielle, soziale und ökonomische Zusammenhänge“.4
Trotz der zweifellos auch stattfindenden „postkolonialen Dekonstruktion der Pop-Art“, die Chris Sharp den Bildern von Maja Vukoje attestiert, wäre der Schluss voreilig, es ginge der Künstlerin lediglich darum, die Malerei als Sprungbrett für postkoloniale Kritik zu verwenden. Denn, wie Sharp ebenfalls bemerkt, untersucht Vukoje in ihrer Praxis das Wesen der Malerei selbst. Kein sprachliches oder materielles Element ist hier selbstverständlich und ohne spezifische Zielsetzung verwendet, von der transluziden Jute, die den Spannrahmen durchscheinen lässt bis zum Aufdruck auf den Jutesäcken, die zum bedeutungserweiternden Bildelement werden. „All dies weist nachhaltig darauf hin, dass es sich hierbei um ein in sich abgestimmtes Werk ohne Trennung oder gar Kluft zwischen Form und Inhalt handelt. Das Politische an Vukojes künstlerischer Praxis ist untrennbar mit den von ihr bearbeiteten und kontextualisierten Materialien und formalen Fragestellungen verbunden.“5
In ihrer Kunst verknüpft Maja Vukoje Untersuchungen der medialen Bedingungen der Malerei mit einer Kritik an ökonomischen und kulturellen Produktions- und Distributionssystemen einer globalisierten Welt. Parallel dazu öffnet sie in ihren Gemälden die internen Grenzen des Mediums. Material, Technik, Motiv und Thema kippen, fließen ineinander, informieren sich gegenseitig. Indem sie entlang der Zielsetzungen einer Kritik an postkolonialen Machtverhältnissen auch medial konsequent in den Übergangszonen arbeitet, treibt Maja Vukoje die Entwicklung der Malerei als Dispositiv kritischer Kulturproduktion voran.
1 Isabelle Graw & Maja Vukoje, „Transkulturelle Entzugsstrategien auf Jutesack. Ein Zoom Gespräch“, in: Stella Rollig/Luisa Ziaja (Hg.), Maja Vukoje, Auf Kante (Katalog Ausstellung, Belvedere 21, Wien 2020-2021), S. 160.
2 Ebd., S. 160.
3 Luisa Ziaja, „Malerische Illusionen und Gesten ihrer Überschreitung“, in: Stella Rollig/Luisa Ziaja (Hg.), Maja Vukoje, Auf Kante (Katalog Ausstellung, Belvedere 21, Wien 2020-2021), S. 153.
4 Ebd. S. 153.
5 Chris Sharp, Maja Vukojes semi-autonome Bilder, in: Sandro Droschl (Hg.), MAJA VUKOJE_fuels n’ frumps. Verlag für moderne Kunst Wien, Wien 2017, S. 32–35.