Thea Moellers Metallarbeiten und die flexiblen Eigenschaften des Materials
Thea Moellers Metallarbeiten basieren auf vorgefertigten Metallelementen wie Bandeisen, Formrohren und L-Profilen, die im Handel unkompliziert erhältlich sind und in der Industrie sowie im Bauwesen in vielfältigen Kontexten Verwendung finden. Sie sind zudem, und das ist für ihren regulären Einsatz ebenso entscheidend wie für ihre künstlerische Verwendung, vergleichsweise leicht zu bearbeiten und in die gewünschte Form zu bringen. Sie gelten als sogenanntes „Halbzeug“ – mit diesem Begriff werden einfache, vorgefertigte Werkstücke bezeichnet, die meist aus einem einzigen Material bestehen und die Vorstufe der Produktfertigung bilden. Bei den Bandeisen handelt es sich um Streifen aus flach gewalztem Stahl, bei den Formrohren um einfache Stahlrohre; L-Profile sind Winkelprofile, für die ein Blech im Winkel von 90 Grad gekantet wird.
Stahl besteht überwiegend aus Eisen. Wie sein Ausgangselement wird er häufig mit Härte, Festigkeit und Schwere assoziiert. Tatsächlich aber zeichnet er sich – im Unterschied zu Gusseisen – gerade durch seine Formbarkeit aus, kann gebogen, gewalzt oder geschmiedet werden. Diese bis zu einem gewissen Grad auch in kaltem Zustand gegebene Formbarkeit macht sich Thea Moeller in ihren Arbeiten zunutze. Sie wählt in der Regel eine Dicke von 3–4 Millimetern und eine Länge von 3 Metern. Die Stücke bleiben damit von der Größe her handhabbar und lassen sich gerade noch ohne aufwendigen Maschineneinsatz bearbeiten.
In der Bearbeitung ergeben sich scheinbar paradoxe Effekte. Aufgeschnittene, geknickte L-Profile und zu länglichen Schlaufen gebogene Bandeisen erinnern auf den ersten Blick an feste Gummibänder, die zwischen Wand und Boden verspannt werden oder schlaff von der Decke herabhängen. Farbige Bemalungen verstärken zusätzlich diesen Eindruck. Dabei bringt, was zunächst wie eine illusionistische Verwandlung des Materials wirkt, bei genauerer Betrachtung gerade dessen spezifische Qualitäten zum Ausdruck – dass Stahl nämlich nicht einfach hart und starr ist, sondern im Gegenteil biegsam und flexibel sein kann, ohne eine gewisse Festigkeit und Schwere einzubüßen.
Die Arbeiten verweigern sich jeglicher Monumentalisierung, wie sie im Feld der Stahlplastik insbesondere von männlichen Künstlern immer wieder vollzogen wurde. Als Exempel mag hier der US-amerikanische Bildhauer Richard Serra dienen, dessen massive und mitunter bedrohliche Arbeiten aus tonnenschwerem Cortenstahl überdeutlich auf ihre schwerindustrielle Herkunft verweisen und deren charakteristische Rostschicht den Materialcharakter zusätzlich betont. Thea Moellers bemalte Oberflächen markieren hier einen Gegensatz, doch ist ihr Vorgehen nicht weniger „materialgerecht“. Die geringere Stärke des Materials, seine Verformung und die Bemalung, häufig in leuchtenden Farben, verweisen vielmehr auf die alltägliche Verwendung von Stahl als Rahmen und Verkleidung – etwa in der modernen Architektur und im Automobilbau.
Der Vergleich ist nicht zufällig gewählt, sondern verweist auf die Bedeutung der Ikonografie des amerikanischen Traums der Nachkriegszeit, wie er sich in Architektur und Industriedesign manifestierte, für Thea Moellers Praxis. Während einer Residency am MAK Center for Art and Architecture in Los Angeles (2016) entwickelte sie eine Art Typologie öffentlicher Swimming Pools. 2019 installierte sie im Rahmen der Gruppenausstellung FuelSave eine Reihe aus eingeschnittenen und gebogenen L-Profilen und Stahlrohren gebildeter Drivewayloops auf dem Areal einer aufgelassenen Tankstelle im Wiener Außenbezirk Simmering. Der suburbane Raum und seine Architektur markieren hier wichtige Bezugspunkte.
Die geknickten und gebogenen Oberflächen der Arbeiten, deren Bemalung immer wieder kleine Unregelmäßigkeiten aufweist, oszillieren zwischen dem perfekt lackierten, glänzenden Edelstahl des Karosseriebaus, auf das etwa die kalifornischen Finish Fetish-Künstler reagierten, und dem Schrottplatz – man denke an Césars oder John Chamberlains aus Karosserieteilen und anderen Blechen zusammengepresste Plastiken. Doch verweigern sich Thea Moellers Arbeiten auch deren komprimierter Massivität und setzen dem Konglomerat die identifizierbare Einzelform entgegen.
Dabei verfehlen diese Vergleiche den Status der Farbe in Thea Moellers Praxis. Sie wählt weder Fundstücke noch vorlackierte Teile, sondern trägt die Bemalung stets selbst mit dem Pinsel auf, sodass sich ein andeutungsweise sichtbarer „Duktus“ ergibt. Damit definiert sie die Objekte zusätzlich als Malereien, was die kulturelle und mediale Vielfalt der Bezugssysteme – Skulptur und Malerei, Architektur und Design, Kunst und Industrie, um nur einige zu nennen – zusätzlich erweitert.
CHRISTIAN BERGER ist Kunstwissenschaftler und unterrichtet an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er beschäftigt sich vor allem mit konzeptualistischen Praktiken der 1960er und 1970er Jahre sowie mit Materialität und künstlerischen Techniken und ist Herausgeber des Sammelbands Conceptualism and Materiality: Matters of Art and Politics (Brill Studies in Art & Materiality, 2019).