Wir alle haben einen. In jeder Wohnung, sei es eine Einzimmerwohnung, eine weitläufige Villa oder ein Hausboot, gibt es immer einen einzelnen Schrank voller Gerümpel. Wenn man Glück hat, bleibt es an seinem Platz, wenn nicht, neigt es dazu, sich nach außen auszubreiten und verdeckt Küchenkredenzen und Fensterbänke, Waschtische und Bücherregale. In seinem 1968 erschienenen Roman Do Androids Dream of Electric Sheep? (Träumen Androiden von elektrischen Schafen?) nennt Philip K. Dick dieses Zeug „Kippel“. Für den Science-Fiction-Autor ist Kippel „nutzlose Sachen wie Werbepost oder Streichholzbriefchen, wenn das letzte Streichholz abgebrannt ist, oder Kaugummipapier oder die Zeitung von gestern“, die „sich selbst vermehren“, wenn man nicht aufpasst.
Im postapokalyptischen Setting dieses Romans steht „Kippel“ als Metapher für den rapiden Verfall der Erde. In der heutigen Gesellschaft ist jedoch das Gegenteil der Fall. Schrott ist schlecht, ja, aber Gratisgeschenke, Einweggeräte und Produkte in limitierter Auflage? Diese werden als Beweis für eine funktionierende, nein, sogar prosperierende Zivilisation angesehen. Oder wie Georg Petermichl es ausdrückt: „Die Idee ist, dass es ständig einen Überschuss gibt. Man kauft etwas und bekommt ein bisschen mehr, und das wird als ,Fortschritt‘ angesehen“.
Fasziniert von der Macht, die diese Arten von Konsumgütern über uns haben, ist das bescheidene Coca-Cola-Glas der Ursprung von Petermichls Ausstellung bei Wonnerth Dejaco. Wie Kippel hat dieses markengeschützte Freebee, das im Laufe der Jahre in verschiedenen Farben, Formen und Größen hergestellt wurde, keinen Eigenwert, ist aber in Haushalten auf der ganzen Welt zu finden. Für Universal Thoughts: Ambiguous Plus nahm der Künstler einige dieser Gläser – McDonald’s-Werbegeschenke, die im Haus seiner Eltern „herumstanden“ – und verwendete sie zur Herstellung einer neuen Serie von Keramikvasen mit dem gemeinsamen Titel Clash. Die Glasobjekte werden in nassen Ton gepresst, schmelzen während des Brennvorgangs und hinterlassen eine kaum wiederzuerkennende Masse, die unbequem aus einem Loch in der fertigen Vase herausragt.
Es ist nicht das erste Mal, dass Petermichl in seiner Arbeit Keramik verwendet. Für die 2017 entstandene Serie Schlüsselwerke 2011- produzierte der Künstler eine Gruppe von Vasen mit Abdrücken von Schlüsselkopien aus seinen früheren Ateliers sowie diversen Galerien und Projekträumen, in denen er Kunstwerke ausgestellt hatte. Indem er Elemente seines Berufslebens auf antike Formen prägte, die teilweise von Stücken aus der Sammlung des Londoner Victoria and Albert Museum inspiriert waren, verschmolz Petermichl nicht nur zwei Epochen, sondern auch zwei Arten von Werten: In einem Museum steht der Wert eines auf einem Sockel sitzenden Objekts weitgehend außer Frage, während der „Wert“ eines aufstrebenden Künstlers ständig verhandelt wird.
In diesen neuen Werken verwendet Petermichl weiterhin Formen, die er den Sammlungen von Kunst- und Designmuseen entnimmt, diesmal jedoch in Kombination mit Konsumgütern. Die Kollision dieser beiden Formen, so unterschiedlich sie auch erscheinen mögen, bringt unerwartete Parallelen zwischen ihnen zum Vorschein, nämlich dass beide Objekttypen funktionaler Natur sind. „Sie wurden geschaffen, um einen Zweck zu erfüllen“, erklärt Petermichl. „Die Vasen waren, wie die Coca-Cola-Gläser, dazu bestimmt, Flüssigkeit zu fassen, und nicht dazu, hinter Sicherheitsglas zu stehen.“ Der Unterschied besteht natürlich darin, dass die einen Objekte nur einen begrenzten Wert haben – obwohl sie als „Sammlerstücke“ beschrieben werden, verkaufen sich die Coca-Cola-Gläser für weniger als 50 Dollar auf eBay –, während die anderen aufgrund ihres Alters und ihrer Seltenheit unbezahlbar geworden sind.
Die Idee, dass Objekte mit der Zeit an Wert gewinnen, wird in zwei großen Neonskulpturen, key (2017) und key (2020), spielerisch in Frage gestellt. Besucher, die mit der Wiener Kunstszene vertraut sind, erkennen das erste dieser Werke vielleicht vom Eingang des Kunstvereins New Jörg, wo es seit Petermichls Ausstellung vor drei Jahren gehangen ist. Der aus der Kälte hereingeholte Neonschlüssel, der vom Schlüsselbund des damaligen Ateliers des Künstlers kopiert wurde, zeigt heute deutliche Alterserscheinungen. Das zweite dieser Werke, dessen Form vom Schlüssel zur Galerie Wonnerth Dejaco übernommen ist, wurde für die Ausstellung neu produziert. Wie bei den früheren Schlüsselwerken des Künstlers spiegeln auch diese Repliken Momente wider, die der Künstler als wichtig für seine Karriere oder seine künstlerische Praxis empfand.
Neue Fotogramme (um auf das „Plus“ im Ausstellungstitel zurückzukommen) zeigen die Formen von Silicagelstücken, die über die lichtempfindliche Oberfläche des Papiers gestreut wurden. Silicagel, das normalerweise Produkten zugesetzt wird, um sie trocken zu halten, ist nur eines von vielen Materialien, die zum Schutz von Verbraucherkäufen verwendet werden, die nicht recycelt werden können. Über dieses Phänomen reflektierte Petermichl bereits in einem früheren Projekt mit einem Augenzwinkern, indem er mit Luftpolsterfolie und Luftpolsterfüllmaterial, die er mit seinen Online-Käufen erhielt, eine Reihe von Fotogrammen herstellte. Obwohl er sich selbst nicht als politischer Künstler per se sieht, könnte man es so betrachten, dass die „ambigue“ Natur dieser Transaktionen, um noch einmal auf den Titel der Ausstellung zurückzukommen, von den gemischten Gefühlen herrührt, die man beim Erhalt dieser Art von Verpackung empfindet. In unserer Gesellschaft wird die Freude, mehr Dinge zu erhalten, oft durch Gedanken an Plastikmüllinseln im Ozean oder die Abholzung des Regenwaldes im Amazonasgebiet getrübt.
Die unterschiedlichen Wertigkeitsebenen, die durch die gesamte Ausstellung hindurch im Spiel sind, kommen schließlich in nail, 2020, einer Keramikskulptur eines gebrauchten Nagels, zusammen. Wie der Schlüssel hat auch dieser Alltagsgegenstand eine überdimensionale Rolle in der künstlerischen Produktion – „Ein Nagel hat das Potenzial, Teil von etwas Größerem zu sein“, bemerkt Petermichl, „etwas sehr Künstlerischem und Schönem“ – aber sobald sein Gebrauchswert erschöpft ist, wird er leicht beiseite geworfen. Vor einen leeren Leuchtkasten gestellt, der vielleicht selbst einen Jeff Wall oder eine Coca-Cola-Werbung beherbergen könnte, werden hier die Grenzen zwischen Kunstwerk, antikem Objekt, Alltagsgegenstand, Konsumprodukt oder Kippel ein für alle Mal eliminiert.
Chloe Stead